Erfahrungen mit dem Antrag auf ein EXIST-Gründerstipendium

In einem Team von drei Personen haben wir vor einigen Monaten einen Antrag auf Förderung durch EXIST über die Hochschule Reutlingen gestellt. Obwohl eine Förderung nach unserem Antrag nicht empfohlen wurde, ist das Unternehmen ditemis gegründet worden, da ich weiterhin an die Idee und das Marktpotential glaube.

Bevor wir uns Tipps zur Antragstellung anschauen und einer Reflektion unserer Fehler widmen, klären wir kurz, was das EXIST-Gründerstipendium überhaupt ist.

Was ist das EXIST-Gründerstipendium?

Wer kennt das nicht: Man hat eine tolle Geschäftsidee und möchte sie sofort umsetzen. Das EXIST-Gründerstipendium kann dabei helfen, die Idee Wirklichkeit werden zu lassen, wenn die nötige Innovationshöhe, Technologie- oder Wissensorientierung gewährleistet ist. Damit richtet sich das Angebot vor allem an ein Umfeld mit Nähe zur Wissenschaft und Forschung im Hochschulbereich. In unserem Fall hätten wir als Hochschulabsolventen von der Förderung profitiert.

Das EXIST Logo

EXIST unterstützt ein Team mit bis zu drei Studierenden, Absolventen oder Wissenschaftlern und sichert den persönlichen Lebensunterhalt durch ein Stipendium für 12 Monate mit zusätzlicher Kostendeckung für Sachausgaben und Coaching. In dem Förderzeitraum haben die Stipendiaten Zeit einen Businessplan zu erstellen, die Unternehmensgründung vorzunehmen und erste Umsätze zu generieren. Die Antragstellung erfolgt über die Hochschule, die in ein Gründernetzwerk eingebettet sein muss, was den ganzen Prozess sehr formalisiert.

Für eine Förderung werden das Team, der Innovationsgehalt sowie der Markt und Wettbewerb anhand eines umfangreichen Antrags mit Konzeptpapier bewertet. Wer mehr erfahren will, besucht am besten die EXIST Webseite. Wenn ernsthaft Interesse besteht, sollte man sich die Details sehr genau anschauen, z.B. erlaubte wöchentliche Arbeitszeit nebenher, Sozialversicherungspflicht, Ausschlusskriterien, ...

Tipps zur Antragstellung

Als Entscheidungsgrundlage der Förderung erfolgt ein Antrag über die Hochschule mit dem Konzeptpapier. Es gibt keine persönlichen Gespräche oder Präsentationen sondern nur ca. 25 Seiten mit Text und Illustrationen, die einen Gutachter davon überzeugen müssen, dass die Idee das nötige Potential hat. Zu diesem Antragsprozess können wir, trotz negativem Ausgang, einige Tipps geben:

  • Geht frühzeitig auf die Hochschule und das Gründernetzwerk zu: Vom ersten Gespräch mit dem Gründungsbeauftragten bis zur Antragseinreichung vergeht sehr viel Zeit. Es müssen Unterschriften und Formulare von verschiedenen Personen der Hochschule und vom Gründernetzwerk eingeholt werden. Hier seid ihr auf die Unterstützung durch die Hochschule angewiesen, sodass das einer der ersten Schritte im Prozess sein muss. Je nach Größe der Hochschule kann es sein, dass der Prozess zur Antragstellung nicht häufig durchgeführt wird, sodass die Verantwortlichkeiten erst intern geprüft werden müssen.

  • Plant ausreichend Zeit ein: Das Anfertigen und Zusammentragen der Unterlagen hat mehrere Monate gedauert. Wir haben den Antrag wie ein Projekt behandelt und mit Meilensteinen geplant. Das hat geholfen, zu überprüfen, ob wir uns zeitlich im Rahmen bewegen. Da wir bereits erste Kundenprojekte in Aussicht hatten, mussten wir bestimmte Deadlines und auch Kündigungsfristen einhalten (Prüft eure Arbeitsverträge!). Trotz der Planung, haben wir den Antrag verspätet eingereicht. Zum einen haben wir die Zeiten für Reviews und Überarbeitungen unterschätzt und zum anderen waren wichtige Vertreter der Hochschule nicht verfügbar (Achtet auf Urlaubszeiten!).

  • Validiert das Konzept durch Wettbewerbe: Mit dem Konzeptpapier schafft man eine solide Grundlage für einen Businessplan. Um unser Konzept zu validieren, haben wir einen Zwischenstand beim Gründerwettbewerb eingereicht. Die gewünschten Inhalte sind bei vielen Wettbewerben ähnlich, sodass man meistens nur etwas umstrukturieren muss. Das hat zusätzlich Feedback von einer erfahrenen Jury für die Antragstellung eingebracht. Die aufgedeckten Schwachstellen im Konzept wurden so bereits vor der Antragsstellung adressiert.

  • Nutzt Unterstützungsangebote: Es gibt viele Organisationen, die kostenlose Beratungsgespräche anbieten. Für die Finanzplanung haben wir uns z.B. von Barbara Hoisl unterstützen lassen, die ein exzellentes, einfaches Finanzmodell für Startups entworfen hat. Marc König, ein Gründungsberater der bwcon, hat unser Geschäftsmodell auseinander genommen und die Innovationshöhe hinterfragt. Zusätzlich haben wir ein Gespräch mit den Geschäftsführern von levigo gesucht, um unser Vorhaben von erfahrenen Unternehmern in einem ähnlichen Marktsegment validieren zu lassen. Alle diese Gespräche haben uns geholfen, unser Geschäftsmodell zu verbessern und den roten Faden im Konzept nicht zu verlieren.

  • Versteht ein Fachfremder die Beschreibung? Gewinnt Reviewer für euer Konzeptpapier, die keinen fachlichen Bezug zu dem Thema haben. So bekommt ihr sofort Rückmeldung, ob die Inhalte für jeden verständlich geschrieben sind.

Lernt aus unseren Fehlern

In dem resultierenden Bewertungsbogen, den wird als Antwort auf unseren Antrag erhalten haben, sind sehr viele Gründe dargestellt, wieso unser Vorhaben nicht für eine Förderung empfohlen wurde. Einige dieser Punkte lassen sich bestimmt auch auf eure Geschäftsidee übertragen:

  • Kein Bezug zur Wissenschaft oder Hochschule: Der Hochschulbezug war bei uns zu schwach. Es wurde negativ bewertet, dass das Gründungsvorhaben nicht auf Vorarbeiten an der Hochschule basierte. Die Rolle unseres Hochschule-Mentors wurde auch nicht entscheidend für unsere Entwicklung angesehen. Das wir Bachelor- und Masterarbeiten über angrenzende Themenbereiche geschrieben haben, war nicht ausreichend für einen wissenschaftlichen Bezug.

  • Schwache Markteintrittsstrategie: Es erscheint nicht plausibel, dass öffentliche Verwaltungen Software für ihre elektronischen Akten von einem kleinen Startup beziehen. Wir haben keine Absichtserklärungen von Vertriebspartnern oder Pilotkunden mitgeschickt. Diese Erklärungen haben hohes Gewicht und machen die Aussagen belastbar. Man kann damit sehr gut zeigen, dass man keine Luftschlösser baut, sondern die ersten Schritte in den Markt bereits geebnet hat.

  • Innovationshöhe nicht ausreichend: In der Verwendung von Web-Standards ist keine nachhaltige Innovation zu sehen, auch wenn in unserem Zielmarkt die Technologie teilweise veraltet ist. Die Mockups und Screenshots zu unserem Softwareprodukt Papierflieger haben als Beweis für eine Prozess- und Organisations-Innovation nicht gereicht. Unsere Vorarbeiten wurden nicht als belastbar angesehen.

Einer der ersten Mockups zum Produkt Papierflieger

  • Konkurrenzsituation: Wir haben eine umfassende Konkurrenzanalyse durchgeführt. Auch wenn das Ergebnis bestätigt, dass viele Wettbewerber am Markt sind, zeigt unsere Marktanalyse ebenfalls, das ein hohes Potential in der Nische E-Akte besteht. Hier wurde nur bewertet, dass die Konkurrenzsituation auf dem Markt für Softwarelösungen für elektronische Akten stark ausgeprägt ist. Unsere Alleinstellungsmerkmale sind damit nicht verständlich genug beschrieben worden.

  • Unternehmensberatung wird nicht gefördert: Da wir ein beratungsintensives Softwareprodukt entwickeln, werden ergänzende Beratungsleistungen angeboten. Darauf baut unser Geschäftsmodell, was sich so auch im Antrag wiederspiegelt. Im Rahmen der Richtlinie zum EXIST-Gründerstipendium wird die Förderung der Gründung von Unternehmensberatungen allerdings explizit ausgeschlossen. Selbst wenn wir auf langfristige Sicht nur mit Produktentwicklung und Professional Services überleben können, sollte das für EXIST nicht im Fokus stehen.

Wieso sich eine Antragstellung auf jeden Fall lohnt

Obwohl wir sehr viel Aufwand in unseren Antrag gesteckt und letztendlich ein negatives Ergebnis bekommen haben, hat sich die Arbeit gelohnt. Unsere Idee wurde auf dem Weg von mehreren erfahrenen Personen bewertet und validiert. Wir haben viele Schwachstellen in unserem Konzept aufdecken und darauf reagieren können. Durch das Konzeptpapier ist nahezu ein vollständiger Businessplan entstanden, der die Richtung für die nächsten Jahre vorgibt. Die Motivation für das Thema hat sich langfristig gesteigert und auch die Verbindlichkeit einer Unternehmensgründung ist deutlich größer geworden. Wir haben viele neue Kontakte zu Netzwerken in der Region geknüpft, die uns auf der unternehmerischen Reise hilfreich sein können. Das Sprichwort “Der Weg ist das Ziel” hat sich für uns bei diesem Vorhaben bestätigt.