Welche Kriterien sind für die Auswahl einer E-Akte Lösung entscheidend?

Die Grundlagen der Verwaltungsarbeit stellen spezielle fachliche Anforderungen, die eine elektronische Lösung adressieren muss. Die Auswahl für die individuelle Behörde ist deshalb nicht immer einfach. Es wird technisches und fachliches Verständnis vorausgesetzt, das mit praktischen Erfahrungen ergänzt werden sollte, damit ein Projekt nicht am falsch gewählten Produkt scheitert.

In diesem zweiten Artikel zum Modul Grundlagen + Bedarfsanalyse des Organisationskonzepts elektronische Verwaltungsarbeit erfolgt die Bewertung der Auswahlkriterien zur Bedarfsanalyse und Tips, worauf in der Praxis zu achten ist. Dazu werden zuerst die Zielsetzung und die Bausteine des Organisationskonzepts genauer erläutert.

Das Organisationskonzept hilft bei der Verzahnung der Fachlichkeit mit der IT

Für das Steigern der Effektivität von Verwaltungsabläufen werden Fachspezialisten aus der behördlichen Organisation benötigt. Die Umsetzung der erstellten Sollkonzepte erfolgt durch Dienstleister oder Produktanbieter, die das technische Wissen und die Fähigkeiten dazu mitbringen. Um diese beiden Welten zu vereinen, ist das Organisationskonzept als Hilfestellung geeignet, die bei der bedarfsorientierten IT-Umsetzung einer individuellen Lösung unterstützt. Es bietet Entscheidern und Umsetzern damit wertvolle Informationen zu den beiden folgenden Themen:

  • Bedarfsgerechte Fachkonzeption
  • Einführungsunterstützung

Durch die Orientierung an diesen grundlegenden Anforderungen lässt die individuelle IT-Lösung Spielraum für Anpassungen, bleibt aber kongruent zu der serviceorientierten Rahmenarchitektur des Bundes. Dadurch wird die Wieder- und Weiterverwendbarkeit der entwickelten Komponenten, Module und Dienste erhöht, sodass sie sich leichter auf andere Anwendungsfälle übertragen lassen.

Das Fundament der elektronischen Verwaltungsarbeit

Die Bausteine der eVerwaltungsarbeit werden im Folgenden detailliert beschrieben. Ergänzend dazu sind elektronische Fachverfahren zu sehen, die fachliche Kernaufgaben abbilden, die sich nicht so generisch formulieren lassen wie die anderen Bausteine.

![Die Dreifaltigkeit der elektronischen Verwaltungsarbeit](http://res.cloudinary.com/ditemis/image/upload/v1436778592/ditemisblog/orgev_module.png)

E-Akte

Eine elektronische Akte dient der Schriftgutverwaltung. Sie ist eine logische Zusammenfassung von zusammengehörigen Vorgängen und Dokumenten. Ein Schriftgutobjekt kann dabei eine Akte, ein Vorgang oder ein Dokument sein. Unter Schriftstücken versteht man alle Dateien die aktenrelevante Informationen tragen, z.B. E-Mails, gescannte Papierdokumente und sonstige elektronisch erstellte Unterlagen. Die elektronische Akte hält damit die vollständige Information über die Geschäftsvorfälle eines Sachverhalts.

Die Aufgaben der E-Akte sind die Strukturierung, Speicherung, Recherche und sichere Aufbewahrung von Dokumenten, Vorgängen und Akten. Sie ist die Basis und das Herzstück der dokumentenbasierten elektronischen Verwaltungsarbeit. Sie umfasst keine Funktionen für Verwaltungsprozesse. Durch die Dokumentenorientierung werden E-Akte-Systeme meistens mit spezialisierten Dokumentenmanagementsystemen implementiert. E-Akten haben gegenüber papierbasierter Verarbeitung deutlich Vorteile:

  • Alle elektronischen Eingänge werden zentral integriert, was Medienbrüche vermeidet.
  • Eine Recherche in allen Meta- und Primärinformationen (Dokumentinhalten) ist einfach möglich, wenn die Inhalte volltextindiziert sind.
  • Bei Bürgeranfragen ist man schnell auskunftsfähig.
  • Das gesamte aktenrelevante Wissen ist an zentraler Stelle auffindbar. Durch die Ergänzung von nicht aktenrelevantem Wissen z.B. durch E-Zusammenarbeit kann daraus Wissensmanagement entstehen.

Den größten Nachteil sehen wir in der zusätzlichen Belastung der Sachbearbeiter durch die registraturtypischen Aufgaben (Anlegen von Vorgängen, Verakten von Dokumenten, Erfassung von Metadaten).

E-Vorgangsbearbeitung

Behördliche (teil-)strukturierte Prozesse lassen sich automatisiert mit einer elektronischen Vorgangsbearbeitung unterstützen. Geschäftsgangvermerke und Verfügungen werden den Beteiligten automatisch in der richtigen Reihenfolge zugestellt. Dabei erfolgt eine automatisierte Protokollierung und Überwachung. Die eVorgangsbearbeitung nutzt die eAkte als Basis für die Verwaltung und Speicherung, woraus sich verschiedene Vorteile ergeben:

  • Die Geschäftsprozesse werden durchgängig, medienbruchfrei und mit Transparenz im Bearbeitungsstand durchgeführt.
  • Durch Vertreterregelungen können Geschäftsvorfälle bei Abwesenheitszeiten nahtlos weiterbearbeitet werden.
  • Führungskräft können durch den transparenten Stand der Bearbeitung bei Problemfällen frühzeitig agieren und eingreifen.

Demgegenüber stehen Aspekte, die sich negativ auswirken können:

  • Es ist aufwändig eine einfache, übersichtliche und intuitive Prozessdefinition zu erstellen.
  • Der Aufwand die strukturierten Prozesse zu definieren oder zu verändern darf nicht höher sein als die Nutzung von E-Mails mit manuellem Verlaufsnachweis.

E-Zusammenarbeit

Eine organisationseinheiten-, linien- und behördenübergreifende Zusammenarbeit mit Projektcharakter zeichnet sich durch teilstrukturierte Geschäftsprozesse, Informalität und dem gemeinsamen Aufbau von Wissen aus. Dabei kommen verschiedene Werkzeuge zum Einsatz, z.B.Online-Dokumentenberarbeitung, gemeinsamer Dateizugriff, Blogs, Wikis, Instant Messaging oder Materialsammlungen (Tagging). Die E-Zusammenarbeit kann drei Ausprägungen annehmen:

  • Informelle Zusammenarbeit: Gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten, Aufbau von Wissen.
  • Formelle Zusammenarbeit: Prozessabläufe mit virtuellem Arbeitsraum.
  • Wissensmanagement: Nicht-aktenrelevante Informationen werden in z.B. Blogs oder Wikis verwaltet.

Daraus ergeben sich für die Zusammenarbeit folgende Vorteile:

  • Informelle Abstimmungen mit Erleichterung der gemeinsamen Dokumentenbearbeitung
  • Vermeidung von aufwändigen Abstimmungen per E-Mail
  • Implizite Wissensdokumentation
  • Ganzheitliches Wissensmanagement durch die Kombination aus E-Akte und nicht aktenrelevanten Informationen
  • Individuelle Ablagemöglichkeiten

Nachteilhaft wirken sich folgende Punkte aus:

  • Elemente aus Kollaborationswerkzeugen, die aktenrelevant sind, müssen explizit in die E-Akte aufgenommen werden.
  • Strukturierte Prozesse lassen sich schlecht abbilden.

E-Fachverfahren

Fachverfahren haben typischerweise eine definierte Fachaufgabe, stark strukturierte Prozesse und fehlende Möglichkeiten zur elektronischen Schriftgutverwaltung. Sie lassen sich in dokumentenbasierte, nicht-dokumentenbasierte und komplexe Datenbank- und Informationssysteme klassifizieren. Es ist entscheidend, dass Fachverfahren möglichst medienbruchfrei mit der E-Akte Lösung zusammenspielen. Wir empfehlen nicht, die Schriftgutverwaltung in die Fachverfahren zu integrieren. Es ist empfehlenswert eine möglichst synchrone Schnittstelle anzubinden, sodass Arbeitsstände korrekt wiedergegeben werden. Das führende System muss dabei aber immer die E-Akte sein.

Was ist bei der Auswahl der Bausteine zu beachten?

Die E-Akte ist das Herzstück einer Lösung zur elektronischen Verwaltungsarbeit. Alle aktenrelevanten Unterlagen werden in die E-Akte überführt. Sie dient der Aufbewahrung des elektronischen Schriftguts im Rahmen der geltenden Aufbewahrungsfristen und des Aussonderungsprozesses. Deshalb sollte die Konzentration zunächst auf die Einführung der E-Akte gelegt werden, um so die Grundlage für eine weitere elektronische Prozessunterstützung zu schaffen.

Für die Einführung der E-Akte gibt es verschiedene Motive:

  • Bisher erfolgt die Aktenführung in Papierform. Einige Aktenbestandteile liegen bereits elektronisch vor, z.B. E-Mail oder interne Dokumente (Entwürfe).
  • Die Papierakten sind unvollständig.
  • Im Vertretungsfall werden Dokumente nur schwer gefunden.
  • Das E-Mail Volumen steigt und es werden benutzerindividuelle Ablagestrukturen geschaffen.
  • Es fehlt an Transparenz im Bearbeitungsstand.

Welche Ausprägungen helfen bei der Produktauswahl?

Ein Geschäftsprozess ist die inhaltlich abgeschlossene, zeitliche und sachlogische Folge von Aktivitäten, die zur Bearbeitung eines betriebswirtschaftlich relevanten Objekts notwendig ist.

Ein Geschäftsprozess lässt sich anhand von drei Kriterien bewerten, dem Strukturierungsgrad, dem Aktentyp und der Arbeitsfrom. Zuerst können zwei Strukturierungsgrade unterschieden werden:

  • strukturiert: Ein Prozess ist strukturiert, wenn sämtliche Prozesselemente (Ereignisse, Funktionen, Reihenfolge, Datenobjekte, Bearbeiter, IT-Unterstützung) bekannt und definiert sind.
  • teilstrukturiert: Wenn Ungewissheiten im Prozess auftreten können, die ad hoc von den Bearbeitern gelöst werden müssen, ist ein Prozess teilstrukturiert. Darunter fallen typischerweise Planungsaufgaben, bei denen man das genaue Resultat noch nicht vorhersagen kann.

Abhängig von dem Bearbeitungsprozess lassen sich zwei Aktentypen unterscheiden:

  • Sachakte: Aufbau nach sachlichen oder inhaltlichen Kriterien, nach dem alle Dokumente gegliedert sind. Dieser Aktentyp wird meist für teilstrukturierte Prozesse eingesetzt.
  • Fallakte: verfahrensgleiche Akten, die sich nur an einem formalen Merkmal (Metadaten) unterscheiden. Die Fallakte eignet sich besonders für strukturierte Massenverfahren.

Die Arbeitsweise ist ein weiteres Unterscheidungsmerkmal:

  • Linienarbeit: umfasst die Bearbeitung innerhalb der behördlichen Linienorganisation anhand des in der Geschäftsordnung definierten Dienstwegs. Die Bearbeitung folgt festgelegten Entscheidungswegen und Zuständigkeiten.
  • Projektarbeit: bezeichnet eine zeitlich befristete, komplexe Aufgabe, die einen behörden- bzw. linienübergreifenden Personaleinsatz erfordert und außerhalb der bestehenden Aufbauorganisation in einer Projektorganisation durchgeführt wird.
  • Gremienarbeit: bezeichnet i.d.R. die behörden- und/oder linienübergreifende Zusammenarbeit in fest definierten Gruppen mit ebenso verbindlich festgelegten Aufgaben, z.B. Interessensgruppen und deren Arbeitsgruppen oder Fachgremien.

Anhand dieser Kriterien lässt sich eine vereinfachte Bewertung der individuellen Bedürfnisse einer Lösung feststellen und die Produktauswahl bereits einschränken. Unser Produkt Papierflieger ist beispielsweise sehr gut für strukturierte Prozesse mit Fallakten in Linienarbeit geeignet. Wir fokussieren uns darauf Massenverfahren mit hoher Performance sehr effizient durchzuführen. In Kombination mit einem zusätzlichen Modul zur Echtzeitdokumentbearbeitung ist der Papierflieger ebenfalls für die Projekt- und Gremienarbeit geeignet. Ob ein Standardprodukt genau den gewünschten Anwendungsfall trifft oder ob zusätzliche Entwicklungen notwendig sind, ergibt sich meist bereits aus diesen drei Bewertungskriterien.